Wie wir erfahren haben, wurde in der Nacht auf den 3.5.2010 tatsächlich eine Flasche in ein Fenster der B5 geworfen. Der Flaschenwerfer und sein Begleiter, die auf einer Sauftour durch den Kiez unterwegs waren, sind jedoch weder als Individuen im Bündnis gegen Hamburger Unzumutbarkeiten aktiv, noch gehören sie einer der dort assoziierten Gruppen an. Von dem Flaschenwerfer – und niemandem sonst – stammen auch die dokumentierten sexistischen, homophoben und behindertenfeindlichen Beleidigungen.
Nach dem Wurf flüchteten sich die beiden Männer in die Kneipe »Kleine Pause«, wo sich auch einige Bekannte von ihnen aufhielten – darunter mindestens ein Mitglied einer der im Bündnis tätigen Gruppen. Diese beschützten zunächst einmal ihre Bekannten vor den ebenfalls eingetroffenen B5-Aktivist_innen. Da sie den Hintergrund der Situation nicht kannten, mussten sie von einem weiteren Überfall antiimperialistischer Schläger_innen ausgehen. Zugleich wurde jedoch versucht, eine Eskalation der körperlichen Auseinandersetzung zu verhindern und weitere verbale Ausfälle des Flaschenwerfers zu unterbinden.
Wir sind als Bündnis äußerst verärgert, wenn unsere Kampagne gegen die antisemitische und gewalttätige Praxis der B5 und ihres Umfelds von Leuten zum Anlass genommen wird, den Mobster zu markieren und die sexistische Sau rauszulassen. – Gut möglich, dass sich auch die Flaschenwerfer auf »unserer« Seite der Konfrontation wähnen. Daraus folgt gerade nicht, dass ein solches Verhalten entschuldbar, dumm gelaufen oder doch wenigstens nicht so schlimm wäre. Es weist vielmehr darauf hin, dass in einer entsprechenden Konstellation auch die Zustimmung zu Antisemitismuskritik und Israelsolidarität nicht allein von politischer Einsicht bestimmt sein muss, sondern zum Gegenstand von Identitätsbedürfnissen werden kann. Diese zum Antrieb der Praxis statt zum Gegenstand der Reflexion zu machen, vergisst, dass antideutsche Kritik nicht nur andere, sondern immer auch einen und eine selber betrifft.
Unser Ziel ist es, Antisemitismus zu bekämpfen, auch und gerade in der Linken. Das schließt dessen Hamburger organisatorisches Zentrum, die B5, notwendig mit ein. Flaschenwürfe gehören zu diesem Kampf nicht dazu. Ganz im Gegenteil: Eine Aktion wie die oben dokumentierte ermöglicht es den B5ler_innen, sich kontrafraktisch zum Opfer zu stilisieren (eine Rolle, in der sie sich, wie ihr Wahn vom philosemitischen NeoCon-Komplott in St. Pauli Nord zeigt, pudelwohl fühlen). Und sie gibt Szenemainstream, Bürgerpresse und Verfassungsschutz den ersehnten Beleg an die Hand, es nicht mit einem sachlich begründeten Konflikt zu tun zu haben – sondern mit einer Auseinandersetzung rivalisierender Jugendbanden, die niemanden anderen etwas anginge. Solche Entpolitisierung kommt einzig und alleine der B5 zugute: Seit der Blockade vom 25.10.2009 zielt ihre Darstellung auf nichts anderes, als das Geschehen in eine unüberschaubare Kette von 'Vorfällen', Aggressionen und Machenschaften zu verwandeln, damit der Kern der Sache – der militante Antisemitismus – irgendwo im Nirgendwo verschwinde.
Wir halten es daher für grundsätzlich falsch, mit hochmotivierten Schläger_innen Cowboy und Indianer zu spielen. Derartig verantwortungsloses Handeln gefährdet nicht nur die Gesundheit der Angegriffenen ebenso wie die der eigenen Person, sondern vor allem auch die unbeteiligter Dritter. Zwar brauchen die Politdesperados der B5 keinen Grund zum Zuschlagen. Aber ein Anlass ist doch immer hochwillkommen. Aktionen wie die vom 3.5. werden jene ausbaden müssen, die von den Antisemit_innen als Drahtzieher imaginiert werden – oder einfach die, die sich als leichtes, weil schutzloses Opfer anbieten.
Wie schnell das geht, zeigt der Überfall auf einen israelsolidarischen Antifaschisten in der Nacht auf den 22. Mai 2010. Der im Bündnis aktive Antifaschist, welcher bereits am 31.1.2010 von B5-Aktivist_innen überfallen und zusammengeschlagen wurde, wurde von etwa zehn B5ler_innen, darunter mindestens drei Mitgliedern der »Roten Szene Hamburg« (RSH) und einem der »Sozialistischen Linken« (SOL), am Hamburger Berg umzingelt, geschlagen und getreten. Ein Schlag traf ihn dabei so schwer ins Gesicht, dass seine Brille zertrümmert wurde. Schwerere Verletzungen konnten nur dadurch verhindert werden, dass es dem Angegriffenen gelang, in Richtung Reeperbahn zu entkommen und sich in den Schutz der dort befindlichen Polizisten zu begeben. Auf seiner Flucht wurde er von seinen Verfolgern, zum Glück erfolglos, mit Flaschen beworfen. Die Täter, von denen zwei bereits am Überfall vom 31.1. beteiligt gewesen waren, konnten flüchten, sind aber größtenteils namentlich bekannt. Selbstverständlich wurde auch diesmal Anzeige erstattet. Denn genausowenig, wie wir uns als Teil eines Bandenkrieges sehen, wollen wir derartiger Brutalität tatenlos gegenüberstehen.
Nachtrag: Auf der antiimperialistischen Solidaritätsdemo für die so genannte »Free Gaza«-Flotte, die am 3. Juni 2010 mit ca. hundert Teilnehmer_innen vom Bahnhof Altona zur B5 zog, kam es erneut zu massiven Drohungen. Als der Aufmarsch an einer kleinen Gruppe israelsolidarischer Antifaschist_innen, die sich das Pro-Hamas-Spektakel aus sicherer Entfernung anschauten, vorbeizogen, erkannten einige der Demonstrant_innen in der Gruppe das Opfer der oben beschriebenen Überfälle. Daraufhin gröhlten die ersten Reihen, die von der Roten Szene Hamburg (RSH) und Umfeld gestellt wurden, mehrfach geschlossen und sehr laut »[Name], [Name], aus der Traum – bald liegst du im Kofferraum!« Anschließend folgte »Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Attentat«. Die anwesende Polizei weigerte sich, trotz direkter Aufforderung durch den Bedrohten und dessen Genoss_innen, dagegen vorzugehen oder auch nur eine Anzeige aufzunehmen.
»Am Rande versuchten ein paar sehr verwirrte Personen (Antideutsche) durch ihre Anwesenheit zu provozieren«, hieß es dazu einige Tage später auf Indymedia. Das ist folgerichtig. Denn wo Menschen durch ihre bloße Anwesenheit schon provozieren, bleibt zur Gegenwehr wirklich nichts anderes als die Mordphantasie.