Sonntag, 13. Dezember 2009

Was ist die »B5«?

Die »B5« ist die Trutzburg gewordene Gegenaufklärung des ‚Völker wollen Befreiung-Sozialismus’. Die nationalbolschewistische Umschmeichelung des ‚Volkes’, die ‚ehrwürdige’ Führerschaft von Thälmann, Stalin, Mao, Enver Hoca, Georges Habache und des „Presidente Gonzalo“. So vieles, was anderswo ausgelagert worden ist - nicht, weil es kritisch reflektiert und hiernach verworfen wurde, sondern weil es als inzwischen zu peinlich gilt - findet in der »B5« sein Refugium.

So fühlt die »B5« sich weniger von der Theoriegruppe »Kritikmaximierung«, die zuvor recht unverdächtige Veranstaltungen über „Kunst und Avantgarde“ oder „Krise und Kritik“ organisiert hatte, zwanghaft provoziert, als dadurch, dass ein antinational anmutender Zusammenschluss eine Doku über und womöglich für Israel in einem benachbarten Kino ankündigte, der »B5« also in ihrem Kiez die Definitionsmacht über Israel zu entgleiten drohte.

Gewöhnlich erwidert die »B5« ‚Warum Israel’ notorisch mit der geopolitischen Reproduktion des antisemitischen Ressentiments von der verschwörerischen ‚Anti-Nation’, also mit der sich in der »B5« offerierenden Ideologie von dem Zionismus als Staat gewordenen „Todfeind der Völker“ – so etwa in einer Broschüre der befreundeten KPD/ML, die in der »B5« als ausdrücklich empfohlene Lektüre ausliegt. Israel gilt hier ausschließlich als „Brückenkopf“ imperialistischer Okkupation, als Colt an der Schläfe der ‚autochthonen Völker’, also als eine als Staat lediglich sich dekorierende Verschwörung – jedoch keinesfalls als interime Notbehelfung der vom Antisemitismus Verfolgten und Bedrohten.

Wenn etwa die in der »B5« eingebettete »Palästina-Solidarität« auf die örtlichen Kiezfassaden eine Map plakatiert, auf der die Existenz Israels zugunsten eines palästinensischen Staates ausradiert ist, offenbart sich deutlich die Verschmelzung antizionistischer Ausmerzungssehnsüchte mit denen nach dem ‚organischen Volksstaat’, in dem die ‚autochthonen Völker’ zu ihrem Recht kommen: auf Herrschaft über die ‚eigenen’, inklusive, wie in Gaza oder Falluja praktiziert, Lynchjustiz an Homosexuellen und Abtrünnigen. Die Idiotie des Rufes nach dem ‚nationalen Selbstbestimmungsrecht’ reproduziert unweigerlich die bürgerliche Ideologie, dass der ‚legitime’ Staat die angestammten Rechte des Subjekts ‚Volk’ vollstrecke, also das natürlichste Gehäuse menschlichen Zusammenlebens sei. Die Ideologie, die deutsche ebenso wie die nationalbolschewistische, macht nun aus dem ehernen Zwang, der Angehörigkeit zu einem Staat, einen von der Natur auferlegten Inhalt – eine organische Beziehung des homogenisierten Staatsvolks zum politischen Souverän.

Folglich wird in der »B5« auch nicht der generelle Charakter repressiver Staatlichkeit und die Konstitution der empirischen Menschen, wie sie stehen und gehen, als nationalistische StaatsbürgerInnen, denunziert, sondern die vermeintliche Evidenz der Künstlichkeit des Staates Israels angemahnt. Der Zionismus, so die »B5«, sei ein „rassistisches Projekt“, mit dem „künstlich der jüdische Charakter gewahrt werden“ solle. Künstlich, so die Quintessenz des Antisemitismus, ist eben immer das Jüdische – natürlich und verwurzelt dagegen das ‚autochthone Volk’, dessen Schicksal im Staat, dem Exekutor seiner ‚nationalen Eigentlichkeit’, liege. Die Juden dagegen seien zum ‚Volksstaat’ unfähig, denn sie hätten, wie Stalin, eine der Autoritäten der »B5«, konstatierte, „keine mit der Scholle verbundene“ Bevölkerungsschicht, „die auf natürliche Weise die Nation nicht nur als ihr Gerippe, sondern auch als ‚nationaler Markt’ zusammenhält“. In der antiimperialistischen Begeisterung für Volk und Scholle bricht das Ressentiment der jüdischen ‚Anti-Nation’ durch, das zionistische ‚Gegen-Volk’ zu den auf ‚Blut und Boden’, d. h., Stalin folgend, auf ‚gewachsene Gemeinschaft’ sich berufenden ‚Völkern’.

In der »B5« verrät sich der ‚Völker wollen Befreiung-Sozialismus’ als notorische Verweigerung der Reflexion über das ‚Volk’ als die auf den Begriff gebrachte Einebnung des Individuums für das falsche Ganze. Weil dem ‚Volk’ der Zwang zur Projektion inhärent ist, kann eine Kritik, die das falsche Ganze denunziert, sich nur an das Individuum wenden, welches sich das ihm auferlegte Schicksal bewusst macht. Doch während der politische Souverän – der Staat oder die Bande – die Zusammenrottung von Menschen als Einheit deklariert und den einzelnen für das falsche Ganze einebnet, ideologisiert der antizionistische Befreiungsnationalismus der »B5« jenes Zwangskollektiv als revolutionäres Subjekt ‚Volk’ und legt der nationalen Konstitution der Massen eine honorig-sonore Etikette an.

„Unser Politikverständnis sowie unsere Praxis sind bekannt“, so die »B5« in der Erklärung zur ihrer ‚Antizionistischen Aktion’ am 25. Oktober vor dem b-movie. Für jene, denen die Hamburger Zustände nicht bekannt sind: Als etwa am 31. Januar 2004 auf einer ‚antifaschistischen’ Demonstration in Hamburg-Barmbek die Genoss_innen der antinationalen Gruppe »Kritik & Praxis Berlin« von den lokalen „Zärtlichkeiten der Völker“-Milizen aufgrund eines Transparents mit der Aufschrift „Deutschland denken heißt Auschwitz denken“ als vermeintliche „Antideutsche“ identifiziert worden sind, traten und schlugen etwa 30 bis 40 AntizionisInnen auf die vier anwesenden K&P-GenossInnen ein und entrissen ihnen unter „Intifada bis zum Sieg“-Parolen das ‚verräterische’ Transpi. Den Berliner GenossInnen zufolge soll von einzelnen mit Rufen wie „Die Juden sind an allem schuld“ ein unkaschierter Antisemitismus ausgebrüllt worden sein.

Im Januar dieses Jahres schloss sich die »B5« den von Milli Görüs und der Islamischen Republik Iran organisierten antiisraelischen Aufmärschen an. Zwar verweigerte man sich der erbetenen Trennung der Geschlechter, doch intonierte man mit Inbrunst die „Kindermörder Israel“-Parole, die so instinktsicher aus dem antisemitischen Ritualmordvorwurf schöpft. Am 20. Juni versuchten SchlägerInnen aus der »B5« eine Solidaritätsaktion für die um Freiheit streitenden Menschen im Iran zu sprengen, nachdem sie eine Komplizenschaft zwischen ‚abtrünnigen Exil-IranerInnen’ und ‚antideutschen ZionistInnen’ aufgespürt hatten. Somit machen sie mehr als deutlich, wem Militanz auf deutschen Straßen zu gelten habe: nicht dem deutschen, sondern dem jüdischen Staat Israel und seinen Freund_innen.

(Redebeitrag Demonstration gegen Antisemitismus, 13.12.09)