Mittwoch, 18. November 2009
Pressemitteilung der Berliner VVN-BdA vom 9.12.2009: Warum diese antisemitischen „Reflexe“?
Eine (kurze) Erklärung der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes e. V. zu den Auseinandersetzungen um die Verhinderung der Aufführung des Filmes „Pourquoi Israel“ von Claude Lanzmann am 25. Oktober 2009 im internationalistischen Zentrum B5 in Hamburg
Am 25.10.2009 verhinderten Angehörige der Hamburger Gruppen „Sozialistische Linke (SoL)“ und „Tierrechts-Aktion Nord (TAN)“ die Aufführung des Films „Pourquoi Israel“ (1973) von dem französischen Filmemacher und ehemaligen jüdischen Résistance-Kämpfer Claude Lanzmann. Seine Filmdokumentationen „Shoah“ (1985) und „Sobibor, 14. Oktober 1943, 16 Uhr“ (2001) sind herausragende cineastische Werke über den Holocaust, die Shoah, den Mord an über 6 Millionen europäischen Juden. Er betätigte sich in den späten 50er- und frühen 60er Jahren als antikolonialer Aktivist und unterschrieb das „Manifest der 121“, das das Recht auf Widerstand der Algerier gegen die französischen Kolonialherren unterstützte.
SoL und TAN blockierten den Zugang des Kinos B-Movie in der B5 in israelischen Fantasieuniformen, um einen Checkpoint der israelischen Armee zu simulieren und bedrohten BesucherInnen auch körperlich. Dabei fielen auch antisemitische und homophobe Beschimpfungen.
Wir empfinden es als einen ungeheuren, nicht hinnehmbaren Vorgang, dass in Deutschland und dann auch noch von Menschen, die sich als links verstehen, ein Film eines jüdischen Filmemachers verhindert wird. Wer, aus welchen Gründen auch immer, solch eine gewaltförmige Zensur ausübt, muss sich den Vorwurf des Antisemitismus gefallen lassen. Dieses Vorgehen hat nichts mit einer emanzipatorischen und konstruktiven Kritik an der Politik der israelischen Regierung zu tun, und lässt keinerlei Verständnis und Empathie für die schwierige Annäherung des jüdischen Filmemachers Lanzmann an Israel erkennen. In einem Flugblatt machen sie auch deutlich klar, dass die Aktion lediglich dazu dient, schon die Gründung und damit das Existenzrecht des Staates Israel zu delegitimieren. Leichtfertig wird hier der Jude Lanzmann, sein Film, Israel und die gegenwärtige Politik der israelischen Regierung gleichgesetzt und damit der Vorwurf, antisemitisch gehandelt zu haben, zumindest in Kauf genommen.
Gerade hier sind deutsche Linke als Allererste dazu aufgerufen, laut und deutlich zu protestieren, wenn sie glaubwürdig bleiben wollen. Deshalb haben wir den Aufruf des „Bündnisses gegen Hamburger Unzumutbarkeiten“ unterschrieben, da er uns als ein erstes öffentliches Forum erschien, um unseren Unmut und Protest zu äußern. Wir
begrüßen auch den Aufruf „Es darf keine antisemitische Filmzensur geben“, der ihm wenig später folgte. Den Protest als Vehikel für „linke Fraktionskämpfe“ wie es unseres Erachtens in Hamburg auch passiert ist, zu benutzen, verbietet sich allerdings von selbst. Ihn aber ausschließlich als solches zu begreifen, erfasst nicht diesen unentschuldbaren Vorgang und denunziert emanzipatorische Politik und den entschlossenen Kampf gegen Antisemitismus. Wir freuen uns, dass die Aufführung des Films am 13. Dezember am Ort des Geschehens nachgeholt werden kann und die Gruppe SoL ihn am 9. Dezember auch selber vorführen will. Wir hoffen, dass die dabei ausgesprochenen Diskussionsangebote solidarisch und ernst genommen werden.
Der Vorstand der Berliner VVN-BdA e. V.
Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e. V. · Franz-Mehring- Platz 1 ·
10243 Berlin