Donnerstag, 10. Dezember 2009

Dokumentation: nicht gehaltener Redebeitrag der Gruppe 170 für die Demonstration am 13.12.09

Der Film 'Warum Israel' von Claude Lanzman muss gezeigt werden. Dieser Film, der den Staat Israel diskutiert, muss gezeigt werden. Es darf keinen Zweifel daran geben, dass über den Staat israel diskutiert werden kann. Die Diskussion über Israel hat aber die logische und notwendige Voraussetzung, das Existenzrecht Israels ein für alle Mal anzuerkennen. Das heißt: Jede Rhetorik, die mit Parolen wie 'Werft sie zurück ins Meer' arbeitet, außerhalb des Diskussionszusammenhangs zu stellen und als das zu benennen, was sie ist: antisemitische Hass - und Vernichtungsrhetorik!

Die Diskussion über Israel hat auch die logische und notwendige Voraussetzung, Kritik an der Politik des Staates Israel zuzulassen. Das heißt: Kritik an den aggressiven Anteilen der israelischen Politik des States Israel nicht reflexhaft mit der stereotypen Anklage des Antisemitismus zu begegnen. Eine kritiklose Zuwendung kennt keine Diskussion, nimmt den Staat Israel nicht ernst und fällt abgesehen davon hinter Positionen des israelischen Linken zurück.

Wie gesagt: Die Auseinandersetzung mit Israel muss möglich sein. Nichts anderes tut dieser Film. Jenseits aller politisch und neurotisch gespeisten Extreme setzt dieser Film sich mit dem Staat Israel auseinander. Das muss das Hauptargument zur Haltung zu diesem Film sein.

Dass es ein recht alter Film ist, der eigentlich niemanden mehr so recht aufregen dürfte, ist zweitrangig.

Dass es ein Film von Claude Lanzman ist, der vor allem durch sein späteres Werk 'Shoah' zu Recht hohes Ansehen und Würde genießt, ist zweitrangig.

Was vor allem zählt: Mit diesem Film wird eine vernunftbestimmte Auseinandersetzung mit dem Staat Israel angestrebt.

Wir erteilen allen und allem, die dieses nicht zulassen wollen, hiermit eine radikale und vollständige Absage.

Vermutlich hätte dieser Film an keinem anderen Ort in Hamburg eine solche Eskalation bewirkt. Welche Ziele und Absichten eine antideutsche Gruppe damit verbindet, diesen Film in allernächster Nähe zu einem Zentrum internationalistischer antiimperialistischer Gruppen zu zeigen, muss offen bleiben. Das Provokative dieses Vorhabens hingegen ist offensichtlich: Nicht etwa wegen des Films, sondern wegen der unversöhnlichen Feindschaft zwischen den beteiligten Gruppen. Jenseits dieser unversöhnlichen haben wir auch als Gruppe größte Schwierigkeiten mit der Theorie und Praxis antideutscher Gruppen. In aller Deutlichkeit: Wir wollen keine, und damit meinen wir keine Nationalfahnen sehen. Die Nation ist für uns keine politisch legitime Struktur: keine Nation. Dies ist uns ein wichtiger politischer Anspruch, den wir zumindest auf den von uns organisierten Demonstrationen durchsetzen. Daher wehren wir uns hiermit gegen die unerträgliche und politisch unscharfe Aneinanderreihung im Aufruf zur heutigen Demonstration. Die Antifaschistinnen und Antifaschisten, die 2004 auf unserer Demonstration in Barmbek keine Nationalfahnen zuließen, sind nicht eines Geistes mit Antisemiten, wegen derer wir heute hier auf der Straße stehen. Wir folgen nicht der platten Rhetorik, die da sagt: Jede und jeder, die mit Antideutschen Auseinandersetzungen führt, ist allein aus diesem Grund antisemitisch. Noch ein mal klar und deutlich: auch mit dieser Rhetorik können Antideutsche die autonome Bewegung weder spalten noch zerstören.

Doch auch diese Gedanken sind heute zweitrangig angesichts der ursächlichen Forderung nach der Möglichkeit zur vernunftbestimmten Auseinandersetzung um Israel. Es geht uns heute vor allem um eines: Wir alle hier demonstrieren, dass wir es aus Gründen der politischen Kultur wichtig finden, den Film 'Warum Israel' zu zeigen.

Angesichts der Auseinandersetzungsformen der Blockierer des Kinos am 25.10. sagen wir in aller Solidarität: Wir sind eure schwulen Judenschweine.


(Gründe, warum dieser Redebeitrag auf der Demonstration vom Bündnis nicht gewünscht war, wurden der Gruppe 170 u. a. am 10.12.09 in einem halboffenen Brief genannt, der nach den von der Gruppe 170 erhobenen "Zensur"-Vorwürfen auch auf dem Blog veröffentlicht wurde).